Vereinsgeschichte
Die Turnerschaft Göppingen von 1844 und 1894 e. V. ist der älteste Turn- und Sportverein im Landkreis Göppingen und einer der ältesten Vereine im Land. Gegründet wurde sie als „Männer-Turngemeinde Göppingen“ im Jahr 1844.
Gründungsmitglieder waren:
- Ludwig Schaller (später als Bauernturnwart im Schwäbischen Turnerbund bekannt geworden),
- Carl Kallenberg (später zusammen mit Theodor Georgii Verfasser des „Rufs zur Sammlung der deutschen Turner“ – was 1860 zum ersten Deutschen Turnfest führte)
- Dr. Ludwig Munk Arzt aus dem Göppinger Christophsbad
Begonnen hatte alles beim Maientag des Jahres 1844. Initiatoren waren Ludwig Schaller aus Großaspach, Karl Kallenberg aus Stuttgart und der Arzt Dr. Ludwig Munk aus der Landerer`schen Heilanstalt. Die drei waren auf die Idee gekommen, die bei den Maientagsvorführungen der Jugend entstandene Pause mit etwas „männlichen Spielen“ zu verkürzen. In den darauf folgenden Monaten war das Echo in der Stadt trotz eines im Wochenblatt erschienenen Aufrufs nicht besonders groß; die jungen Männer beschlossen dennoch, mit drei Turnern eine Turngemeinde beginnen zu lassen.
Nun sprang der Funke auch auf die Bevölkerung über, d.h. vorwiegend auf das Bürgertum, und hier wiederum ausschließlich auf die Männer, denn das war zu dieser Zeit eine reine Männer-Turngemeinde.
Erst 44 Jahre später wurde „zur Erweiterung der turnerischen Aufgaben“ eine Damenriege angegliedert.
Die erste Fahne des Vereins durften die Jungfrauen jedoch stiften – das war im Jahr 1848.
Zu Anfang wurde vorwiegend an einfachen Geräten geübt und die „volkstümlichen“ Leibesübungen – die heutige Leichtathltik – gepflegt. Weitere Aktivitäten der Anfangsjahre waren: die Gründung einer Feuerlöschmannschaft und einer Sängerriege sowie die Einrichtung einer Vereinsbibliothek. Auch Theater wurde fleißig gespielt und zwar bis in die ersten Nachkriegsjahre des vorigen Jahrhunderts, als bei jeder Weihnachtsfeier ein kurzes Stück gespielt wurde.
Bereits 1859 übernahmen die Göppinger Turner die Ausrichtung eines Kreisturnfestes (das entspricht einem heutigen Landesturnfest). Bei diesem Turnfest verfasste der Mitbegründer Karl Kallenberg mit dem schwäbischen Turnvater Theodor Georgii aus Esslingen den „Aufruf zur Sammlung der deutschen Turner“, was im Jahr 1860 zum ersten Deutschen Turnfest in Coburg geführt hat.
1882, 1912 und 1962 war Göppingen nochmals Schauplatz von Schwäbischen Landesturnfesten.
Die ersten 50 Jahre Vereinsgeschichte, ja der gesamten Turn- und Sportgeschichte der Göppinger Kernstadt, wurden allein von der Männer-Turn-Gemeinde gestaltet.
Dann ging es jedoch Schlag auf Schlag: 1894 wurde mit dem Turnerbund ein zweiter Göppinger Turnverein ins Leben gerufen. Die Hintergründe hierfür sind wohl darin zu suchen, dass die Angehörigen der Arbeiterklasse sich in den Reihen des Bürgertums nicht heimisch fühlten und deshalb ihre Ideale nur in einem eigenen Turnverein verwirklichen zu können glaubten.
43 Jahre später (im Jahr 1937) sollte sich dieser Verein, der in der Folgezeit eine Blüte erlebte, unter dem Druck der damaligen Machthaber mit der Turngemeinde zur Turnerschaft Göppingen von 1844 und 1894 vereinen.
Zuvor kam aber 1896 der zweite Einschnitt: Die Vorturnerschaft der Männer-Turn-Gemeinde (heute würde man Begriffe wie Übungsleiter oder Trainer verwenden), die seit 1882 bestanden und sich „Frisch Auf“ genannt hatte, trat wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Vorstandschaft bis auf zwei Turner geschlossen aus dem Verein aus und gründete den Turnklub „Frisch Auf“ Göppingen.
Diese Vorgänge weckten neue Kräfte bei den Turnern, und so waren die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts geprägt von einer gesunden Rivalität unter den Göppinger Turn- und Sportvereinen und hier besonders zwischen Turngemeinde und Turnerbund.
Dabei waren die damaligen Sportler alle sehr vielseitig. Einseitiges Sporttreiben oder Spezialisieren auf eine Disziplin kannte man damals noch nicht. 1923 wurde die Turngemeinde sogar Deutscher Meister im Vereinsmehrkampf.
Bis zur Einweihung ihres Stadions im Jahr 1925 hatte die Turngemeinde sieben verschiedene Turnstätten benützt, und die Turnerbundler hatten seit 1910 ihr Herzblut und ihre Kraft – und zwar die Kraft ganzer Familien – in die Gestaltung ihres Waldspielplatzes mit Waldheim in der Öde (heute Sportfreunde Jebenhausen) gesteckt.
Der Waldspielplatz wurde dann 1953 verkauft und der Erlös als Grundstock für den Bau des Turnerschaftsheims beim Stadion verwendet. Heute dürfen wir auf ein eigenes Stadion mit Nebenplätzen, Vereinsgaststätte „Turnerschaftsheim“, die Erwin-Reveri-Halle und das Nebengebäude „Langer Bau“ blicken. Dazu kommt noch die Mehrzweckhalle mit Sanitärtrakt, die vor allem von der Budo- und Aikido-Abteilung genutzt wird.
Unsere Männer vom freiwilligen Stadiondienst betreuen seit über 40 Jahren jeden Mittwochnachmittag unsere Liegenschaften.
Die Zeit des 3. Reiches hat natürlich auch ihre Spuren im Verein hinterlassen. So gingen wertvolle Archivunterlagen verloren und das Stadion war 1945 zerfurcht von Panzerspuren.
Alsdann gibt es auch noch Namen von erfolgreichen Sportlerinnen und Sportlern aus unserem Verein zu nennen. Sie sind schließlich der Ausdruck eines über die reine Betätigung in den Leibesübungen hinausgehenden Leistungswillens.
Außer den ungezählten Titeln und guten Platzierungen bei Turnfesten, Kreis-, Bezirks und Landesmeisterschaften, die von Einzelmitgliedern und Mannschaften aller aktiven Abteilungen im Lauf der Jahre erreicht wurden, ragen einige Leistungen besonders heraus:
So wurde der unvergessene Hans Haag in den zwanziger Jahren viermal deutscher Meister im Hochsprung; Karl Herbolzheimer 1938 als Torwart gar Handball-Weltmeister, also der erste Göppinger mit sportlichem Weltmeistertitel!
Weitere außergewöhnliche Leistungen in der Vorkriegszeit erreichten: Fritz Kielkopf, Heinrich Stäbler, Rudolf Nord, Karl Baumann und Robert Regenberg. Letzterer war Mitte der 20er Jahre der Schnellste im Land und lief damals schon auf der Aschenbahn die 100 m in 10,6 sec.
Nach den Krieg konnte unsere Vereinsmannschaft beim Landesturnfest 1950 in Aalen wieder den ersten Platz erkämpfen. Die Jugendmannschaften der Leichtathleten wurden in den 50er und 60er Jahren nicht weniger als 14-mal württembergischer Mannschaftsmeister. Die Leichtathleten haben auch – bis in die heutige Zeit – die herausragensten Erfolge für die Turnerschaft erreicht:
Hans-Martin Bührle (mehrfacher deutscher Meister, deutscher Hochschulmeister und Studentenweltmeister im Diskuswerfen), Dieter Scherrenbacher, Margret Zeller, Heike Gerber und Karl-Frieder Michel (z.T. mehrfache deutsche Jugendmeister im Speerwerfen) und Heidemarie Hummel (im Hochsprung). Wolfgang Reinhardt erreichte als erfolgreichster Vertreter der „Göppinger Stabhochsprungschule“ bei den Olympischen Spielen in Tokyo die Silbermadaille.
Michael Kohnle wurde 1988 Junioren-Weltmeister und 1993 Deutscher Meister im Zehnkampf.
Weiter sind die erfolgreichen Senioren Friderun Kümmerle-Valk, Hans Sautter, Hilde Riedl, Matthias Assmann und Dieter Kassner zu nennen, die bei Senioren-Europa- und Weltmeisterschaften z.T. mehrmals auf dem Treppchen standen.
Auch die Judokas und die Fechter erreichten bis in die heutige Zeit schöne Erfolge bei Landes-, Süddeutschen- und Deutschen Meisterschaften.
Die ballspielenden Abteilungen Handball und Basketball kämpften mit wechselndem Erfolg in ihren jeweiligen Ligen.
In den letzten Jahren hat sich besonders die Abteilung Gesundheitssport mit ihren verschiedenen Gruppen stark entwickelt. Der begehrte „Pluspunkt Gesundheit“ wurde mehrmals erreicht.
Unser langjähriger Oberturnwart, heutiger Ehrenturnwart und Träger des Ehrenrings der TS, Kurt Schleicher, hat in den 70er und 80er Jahren nicht weniger als sieben überregional bedeutende Turnveranstaltungen nach Göppingen geholt und organisiert.
Auch dem Ruf in übergeordnete Turn- und Sportgremien hat sich im Lauf der Jahre eine ganze Reihe von Turnerschaftlern nicht versagt. So sind bis zum heutigen Tag Mitglieder des Vereins auf Bundes-, Landes-, Bezirks-, Kreis- und Gauebene sowie beim Stadtverband Sport in Ehrenämtern für den Sport tätig.
Horst Bader